Gemeindeleben 2020-12-30

„…als das Wünschen noch geholfen hat …“

von Hans–Christian Beutel

Liebe Gemeindeglieder und Freunde unserer Deutschen Gemeinde in Finnland!

Alte Worte stehen über diesem neuen Jahr. Weise Worte am Anfang des Weges, den das neue Jahr uns führen wird. Aus der Sprichwörtersammlung des weisen Königs Salomo stammen die wegweisenden Worte:

Der Mensch setzt sich´s wohl vor im Herzen; aber vom HERRN kommt, was die Zunge reden wird. Ein jeder hält seine Wege für untadelig, aber der HERR prüft die Geister. Befiehl dem HERRN deine Werke, so wird dein Vorhaben gelingen. Der HERR macht alles zu seinem, Zweck, auch den Gottlosen für den bösen Tag. Ein stolzes Herz ist dem HERRN ein Greuel und wird gewiß nicht ungestraft bleiben. Durch Güte und Treue wird Missetat gesühnt, und durch die Furcht des Herrn meidet man das Böse. Wenn eines Menschen Wege dem HERRN wohlgefallen, so lässt er auch seine Feinde Frieden mit ihm machen. Besser wenig mit Gerechtigkeit als viel Einkommen mit Unrecht. Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der HERR allein lenkt seinen Schritt.

Buch der Sprüche Salomos 16,1-9

„In den alten Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat …“ – so beginnen manche Märchen. In jenen alten Zeiten gab es noch die Weisen und ihre Sprüche: Kurze Worte voller Lebenserfahrung.  

Die Frage ist nun, wann jene alten Zeiten zuende gegangen sind. Wann sind sie von „der Neuzeit“ abgelöst worden? Und ist diese Neuzeit nun eine Zeit, in der das Wünschen nicht mehr hilft und die Sprüche der Weise nicht mehr taugen, um das Leben zu deuten?

Ich glaube, die alten Zeiten sind erst zuende, wenn den Menschen nichts mehr zu wünschen einfällt: Sei es, weil die Zeit dann nichts mehr zu wünschen übrig lässt (das ist dann das Reich Gottes); oder aber weil den Menschen die Phantasie für Wünsche ausgegangen ist (und das wäre dann wohl die Hölle). Solange wir beides aber noch vor uns haben, vertraue ich auf die Weisheit der Alten, die uns den Weg weisen und das Leben deuten kann. Und deshalb möchte ich die alten Sprichworte der Weisen aufnehmen und an Euch weitergeben als gute Wünsche für das neue Jahr:

Der Mensch setzt sich´s wohl vor im Herzen; aber vom HERRN kommt, was die Zunge reden wird.

Das ist gleich mein erster Wunsch: Etwa 60 Gottesdienste werden wir 2021 in der Deutschen Kirche in Helsinki feiern. So Gott will und wir leben (und die Pandemie-Einschränkungen das zulassen) wird es rund 80 Gottesdienste in den Landgemeinden geben. Und da nehmen wir Pfarrer und die Vikarin, die ab Sommer in unserer Gemeinde lernen und mitarbeiten wird, uns wohl manches vor zu sagen. Möge das, was in diesen Gottesdiensten gesagt wird, wirklich vom HERRN kommen!

Ein jeder hält seine Wege für untadelig, aber der HERR prüft die Geister.

Schön, wenn jemand das so empfindet: Meine Wege sind untadelig. Ein stolzes und sicheres Gefühl steht dahinter. Das möchte ich niemandem ausreden oder madig machen. Aber selten ist dieses Gefühl: ich bin auf dem richtigen Weg. Viel häufiger begegnen mir Menschen, die sich ihrer Wege gar nicht so sicher sind: Ist das wirklich mein Weg? Ist das denn auch ein richtiger Weg? Oder befinde ich mich auf dem Holzweg, auf Irrwegen?

Und zunehmend begegne ich Menschen, denen die Frage nach ihrem Lebensweg abhanden gekommen ist, die im Grunde nicht mehr in der Lage sind, gut und böse abzuwägen und daraus Entscheidungen für ihren Lebensweg abzuleiten. Und der trotzige Satz: „Das ist mein Weg!“ sagt im Grunde: `Ich finde mich nicht zurecht, wurschtle mich eben so durch und sehe zu, dass ich immer noch einen Durchschlupf im Labyrinth der Lebenswege finde. Das stell mir nicht in Frage, denn dann wird erst offenbar, wie orientierungslos ich tatsächlich bin.´ 

Mein Wunsch ist: Mögen wir in diesem Jahr mutig losgehen mit dem gesunden Selbstgefühl, auf einem guten Weg zu sein; auf einem Weg, den wir vor Gott mit ruhigem Gewissen verantworten können. Und das bleibe uns dabei gegenwärtig: der HERR prüft die Geister. Er sieht doch, was unsere Grundorientierung ausmacht – wonach wir uns mit unseren Lebensentscheidungen richten. Das lässt Korrekturen zu: `Der Weg, den ich eingeschlagen hatte, war wohl so untadelig nicht, wie ich gedacht hatte. Laß mich umkehren und es auf einem anderen Weg noch mal versuchen, Gott.´

Befiehl dem HERRN deine Werke, so wird dein Vorhaben gelingen.

So im Gespräch mit Gott bleiben, sich von ihm korrigieren lassen, das ist es, was die Worte der alten Weisen meinen: Befiehl dem HERRN deine Wege, befiehl ihm deine Werke – lass ihn die Grundorientierung deines Lebens setzen. Diese Zuversicht wünsche ich Dir für das neue Jahr:

Das Vorhaben, das Du Dir von dieser Grundorientierung her vornimmst, das lässt Dir Gott auch gelingen. – Und die anderen Vorhaben, die lässt er denn auch wohltätig scheitern. Das macht einen gelassen.

Der HERR macht alles zu seinem, Zweck, auch den Gottlosen für den bösen Tag.

O, diese Gelassenheit wünsche ich uns! „Gott, schicke den Tyrannen Läuse“ – so beginnt ein Gebetswunsch aus der Ukraine. Was kann der Gottlose mich ärgern! Wie kann ich mich ereifern über Menschen, die ganz anderen Orientierungen folgen! Und wie viel Selbstgerechtigkeit liegt in diesem Ereifern. Wieviel unfruchtbarer Stolz tobt sich darin aus. Aber:

Ein stolzes Herz ist dem HERRN ein Greuel und wird gewiß nicht ungestraft bleiben.

auch das sagen die Weisen.

Um wieviel klüger ist da die Gelassenheit: „Gott, schicke den Tyrannen Läuse“ und – so fährt der Gebetswunsch dann fort: „Er schicke den Einsamen Hunde, den Kindern Schmetterlinge, den Frauen Nerze, den Männern Wildschweine, uns allen aber einen Adler, der uns auf seinen Fittichen zu ihm trägt.“

Durch Güte und Treue wird Missetat gesühnt, und durch die Furcht des Herrn meidet man das Böse.

Güte und Treue an die Stelle von Selbstgerechtigkeit und fruchtlosem Stolz zu setzen – möge uns das gelingen! Und die Frucht des Herrn – die Ehrfurcht vor Gott – bewahre uns vor dem Bösen! Dann mag sogar das Wunder geschehen, dass aus Feinden Nächste und aus missliebigen Nachbarn Mitmenschen werden:

Wenn eines Menschen Wege dem HERRN wohlgefallen, so lässt er auch seine Feinde Frieden mit ihm machen.

Das nächste Sprichwort möchte ich allen von uns zurufen, die in den kommenden Wochen eine Lohnsteuererklärung nach deutschem Steuerrecht ausfüllen müssen:

Besser wenig mit Gerechtigkeit als viel Einkommen mit Unrecht.

Letztlich aber wünsche ich uns im neuen Jahr die Erfahrung, dass auch in dem, was nicht gelingt, in den Sackgassen und auf den Holzwegen, Gott mit uns ist:

Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der HERR allein lenkt seinen Schritt.

Denn deutlicher ist Gott eigentlich niemals zu spüren als da, wo er uns korrigiert. Im Grunde ist das die schönste Erfahrung, die ein Mensch mit Gott machen kann: Da hab ich mir tausend Gedanken um den richtigen Weg gemacht; ich habe hin und her überlegt, so dass ich kaum noch schlafen konnte. Und dann ging mein Weg doch in eine ganz andere Richtung! Da war mir plötzlich die Initiative aus der Hand genommen und mein Schritt führte in eine ganz unvermutete Richtung. Und nun sage ich: Gut, dass alles so gekommen ist!

Das Vertrauen auf Gott, der uns auf unserem Weg begleitet und dort zurecht rückt, wo unser Weg nicht mehr sein Weg ist, das sei uns Leitstern für das neue Jahr.

Mit guten Wünschen für ein gesegnetes Jahr 2021 grüßt Sie und Euch herzlich

Hans-Christian Beutel 

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