„Nimm den Ehefrauen das letzte Wort und erinnere die Ehemänner an ihr erstes.“ Diese Zeile stammt aus einem Gebet aus dem Jahr 1883.
Das erste Wort: das Treueversprechen. Und das letzte Wort: das letztendliche Gültigkeit beansprucht und damit schlussendlich nervt: „Musst Du immer das letzte Wort haben!“
Diese kantige Redewendung nimmt das Lied des Monats auf: Du musst nicht das letzte Wort behalten – das letzte Wort wird ohnehin Gott sprechen. Und es wird kein rechthaberisches Wort sein.
1. Gott hat das erste Wort.
Er schuf aus Nichts die Welten
und wird allmächtig gelten
und gehn von Ort zu Ort.
2. Gott hat das erste Wort.
Eh wir zum Leben kamen,
rief er uns schon mit Namen
und ruft uns fort und fort.
3. Gott hat das letzte Wort,
das Wort in dem Gerichte
am Ziel der Weltgeschichte,
dann an der Zeiten Bord.
4. Gott hat das letzte Wort.
Er wird es neu uns sagen
dereinst nach diesen Tagen
im ewgen Lichte dort.
5. Gott steht am Anbeginn,
und er wird alles enden.
in seinen starken Händen
liegt Ursprung, Ziel und Sinn.
Evangelisches Gesangbuch, Nr. 199
Gott spricht das erste Wort: „Es werde“ – und die Erde ward, der Himmel, das Meer, das Land. Die erste Strophe unseres Liedes stellt uns in den Zusammenhang der ganzen Schöpfung.
Gott spricht auch das erste Wort in unserem Leben: „Fürchte Dich nicht, ich habe Dich erlöst. Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, Du bist mein!“ Diese gute Basis unseres Lebens spricht die zweite Strophe an.
Und Gott wird das letzte Wort über unserem Leben sagen: Das Wort, das uns richtet – so wie ein Tischler ein aus dem Leim gegangenes Möbelstück richtet und wieder gerade macht, was im Laufe der Zeit verzogen und verbogen worden ist. Davon spricht die dritte Strophe.
Die vierte Strophe kehrt nun wieder in den Horizont der ersten Strophe zurück: Gottes Schöpfung wird an ihr Ende und ihr Ziel kommen und „wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.“
Anfang und Ende, Ursprung und Ziel liegen bei Gott, so sagt es die abschließende fünfte Strophe und setzt mit ihrem letzten Wort den Punkt auf den es ankommt: Dass wir so umfangen und gehalten sind von Gott, das gibt unserem Leben Sinn.
Dicht und konzentriert sind die Worte – einsilbig, zweisilbig, selten einmal dreisilbig. Nur in der dritten Strophe – genau in der Mitte des Liedes – gibt es ein einziges Wort mit vier Silben: „Weltgeschichte“. Dort, wo eine Sanduhr ihre Engstelle hat, dort steht dieses Wort. Darauf läuft der erste Teil des Liedes zu – von dort aus geht der zweite Teil aus. Diese gebundene, verdichtete Sprache braucht Aufmerksamkeit – kein Text, der sich leicht erschließt, aber ein Text, „der es in sich hat.“
Und ebenso die Melodie. Das Lied kommt mit einem sehr reduzierten Tonumfang aus: sie bleibt innerhalb einer Oktave. Rhythmisch geht die Melodie Schritt für Schritt: halbe Noten, Viertelnoten – nichts ist punktiert, in der ersten Zeile eine Pause. Das ist alles, was hier an rhythmischem Aufwand getrieben wird. Ein ganz langsam und gleichmäßig schwingender Zwei-Halbe-Takt, eine warme, meditative Moll-Melodie: So kann dieses Lied vom Weltenschöpfer und Weltenrichter singen, ohne diese großen Bilder übermächtig oder gar angstauslösend werden zu lassen. Geborgenheit in diesem großen Gott vermittelt unser Lied: Du darfst diesem ersten Wort Gottes trauen und darauf hoffen, dass das letzte Wort dieses Gottes ein „Ja“ zu Deinem Leben sein wird.

Hans-Christian Beutel, Kontakt: hans-christian.beutel@evl.fi