Kreuz, auf das ich schaue (EG.E 22)

von Hans–Christian Beutel

Lied des Monats, März 2023

Das ist ein Lied zur Fastenzeit! Drei Strophen, kurz und prägnant. Ein Tonraum von nicht einmal als sechs Schritten. Eine Melodie aus 22 Tönen, ruhig und gemessen. Und ein unaufgeregter Gedankengang, in dem sich ein Bild aus dem anderen ergibt:

1. Kreuz, auf das ich schaue,

steht als Zeichen da;

der, dem ich vertraue,

ist in dir mir nah.

2. Kreuz, zu dem ich fliehe

aus der Dunkelheit;

statt der Angst und Mühe

ist nun Hoffnungszeit.

3. Kreuz, von dem ich gehe

in den neuen Tag,

bleib in meiner Nähe,

dass ich nicht verzag.

Text: Eckart Bücken, 1982 / Melodie: Lothar Graap, 1982

Wie wohl tut dieses Lied! Keine um Aufmerksamkeit bettelnden Tonsprünge. Keine auf Überraschung zielende Rhythmik. Keine plakativ formulierten Zeilen. Der Text sagt, was er zu sagen hat, schlicht und schnörkellos. Die Melodie trägt die Worte und ich habe beim Singen das Gefühl, dass sie sich ungesucht entwickelt, in sich stimmig ist und fließt. 

„Kreuz, auf das ich schaue“ – das Lied gehört zum Sonntag Okuli – „Unsere Augen sehn stets auf den Herren“, so lautet das Leitmotiv dieses Sonntags.

In meinem Arbeitszimmer schaue ich auf ein schmales, schmuckloses Kreuz. Das beansprucht nicht, künstlerisch wertvoll zu sein. Das fordert nicht Beachtung und Betrachtung ein. Das ist schlicht ein Zeichen, das mich erinnert, an wen ich mich vertrauend und glaubend halte.

„Kreuz, zu dem ich fliehe“ – wie gut, diesen Fluchtpunkt zu haben! Der gibt Orientierung. Das ist mir wichtig. Für andere Menschen mag es eher eine Zuflucht sein. Dunkelheit, Angst, Mühe – diese Worte falten ein Spektrum auf für das, was Leben begrenzt, beengt, belastet. Dem stellt die zweite Strophe das Wort Hoffnung entgegen.

„Kreuz, von dem ich gehe“ – das Kreuz in meinem Arbeitszimmer hängt neben der Tür. Beim Hinausgehen habe ich es vor Augen. Wie ein stiller Segen. Ich gehe in meinen Tag und es geht etwas mit mir, dem ich Zuversicht verdanke. Bleib nicht stehen am Fluchtpunkt, zieh von ihm eine Linie hinaus in deinen Alltag. Dann strahlt der Segen aus.

Kurz ist dieses Lied. – Zu kurz? Eigentlich würde ich gerne weiter singen. Aber andererseits ist alles gesagt. Mehr Worte braucht es nicht. Eine gute Voraussetzung dafür, dass die Melodie in mir weiter klingt, das Lied mich begleitet. Dann gehen die Worte mit mir – begleiten mich. Und manchmal brauche ich genau das. Dann spiele ich als letzten Akkord d-Moll, wie es über dem letzten Takt steht. Manchmal aber greift die linke Hand unwillkürlich ein D-Dur. Und das ist dann wie ein Amen unter einem guten Gebet: Ja, es ist alles gesagt!

Kontakt: Hans-Christian Beutel, hans-christian.beutel@evl.fi

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